6. Januar 2020

Agententhriller mit Kultstatus




Die lahmen Gäule um Jackson Lamb sind zurück, die ausgemusterten Agenten des MI5, aus dem aktiven Dienst entfernt und auf das Abstellgleis im Slough House geschoben, aus verschiedenen Gründen. Jackson Lamb und seine Mitstreiter Louisa, Shirley, Catherine, Min, River, Roderick und Marcus sollen durch langweilige und vorgeschützte Aufgaben mürbe gemacht und zur Kündigung bewegt werden. Dabei haben sie keinesfalls tatsächlich versagt, sondern stehen ambitionierten Karrierebestrebungen anderer Agenten im Wege und sollen daher aus dem Weg geschafft werden.
Der neueste Auftrag betrifft den Schutz eines russischen Oligarchen, der als Informant für den Britischen Geheimdienst dienen soll. Zugleich stirbt ein ehemaliger Britischer Spitzel aus dem Kalten Krieg an Herzinfarkt im Bus in einer Gegend, in der er sich sonst nie bewegt. Er ist ein alter Kollege von Jackson Lamb aus Zeiten des Kalten Krieges in Berlin. Als der Leiter der Slow Horses mit seinen ungewöhnlich scharfen Instinkten auf seltsame Handyeinträge bei dem Toten und schlampige Ermittlungen, offenbar zwecks Vertuschung der Todesursache und schneller Ablage des Falles stößt, wird er hellhörig und misstrauisch. 
Auch der Abzug zweier seiner Agenten zum Schutz des russischen Oligarchen in London scheint mit einer Gruppe von russischen Schläfern, den Dead Lions, zu tun zu haben, die offenbar gerade erwachen...

Voller Ironie wendet Mick Herron in seinem zweiten Agententhriller den Blick auf den Britischen Geheimdienst und dessen Aktivitäten. Dazu präsentiert er einen höchst spannenden und komplexen Plot mit großer Liebe zum Detail, der auf mich nicht zuletzt durch die Macken der Charaktere authentisch und überzeugend wirkt. So entsteht ein für mich höchst amüsantes, unterhaltsames und spannendes Lesevergnügen.
Der skurrile verschrobene Einzelgänger Jackson Lamb versteckt sich und seine ungewöhnlichen Ermittler-Fähigkeiten hinter menschlichen Unzulänglichkeiten, die abstoßend und nervend wirken, ein richtiger Antiheld, ganz im Gegensatz zu strahlenden Agenten wie James Bond u Co., die andernfalls auf der Bildfläche derartiger Literatur erscheinen. Und das ist erfrischend und witzig, denn voller Ironie, mit vielen kritischen Tönen vom abgehalfterten Jackson Lamb hat Mick Herron eine Figur geschaffen, die abstößt und zugleich Bewunderung auslöst, unsympathisch und auf den ersten Blick tollpatschig und nicht gesellschaftstauglich wirkt, die am Ende des Buches kurz das Herz des Lesers erobert, um ihn sogleich wieder von sich zu stoßen. 
Ein wahrer Genuss mit meiner unbedingten Leseempfehlung, ich freue mich sehr auf den dritten Teil der Reihe.




Mick Herron „Dead Lions“
Roman gebunden, 480 Seiten
Erschienen im Diogenes Verlag
am 28.August 2019
ISBN 978-3257070460
Preis 24 €

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