5. Juli 2020

Hommage an New York





Vivian Gornick ist mit ihrem Buch „Eine Frau in New York“ eine kleine Perle und Hommage an ihre Stadt New York geglückt. Die lose verknüpften Episoden mit dem Hintergrundrauschen der Großstadt mit ihren Möglichkeiten, Begegnungen und Menschen erlauben dem Leser ein Gefühl für die Autorin und für die Stadt, in der sie lebt.

In zusammengestückelten Erinnerungsfetzen schreibt Vivian Gornick über Freundschaft, Liebe, Suche und Selbstfindung, manchmal mit journalistisch-distanziertem Blick auf die Menschen, die sie trifft, manchmal voller Nähe und Wärme für diejenigen, die sie begleiten. Sprunghaft und auf den ersten Blick zusammengestückelt begleitet man sie beim Lesen durch ihre Stadt und die Begegnungen, die für Vivian Gornick so essenziell sind. Die Stadt ist der Fluss, in dem alles schwimmt, der alles bewegt, die Stadt duldet und verzeiht, gibt keinen auf, der mit ihr verbandelt ist. Die Stadt liebt ihre Bewohner, sofern sie das nötige Temperament besitzen. Natürlich romantisiert die Autorin hier sehr, aber ich glaube der Vivian Gornick ihre Gefühle, die sie mit der Lebensart einer Stadt verbindet, in der Menschen und ihr Temperament wichtiger sind als gute Jobs und Sicherheit, und es ist großartig, genau dem Gefühl beim Lesen auf die Spur zu kommen.

Mit äußerst wachen Blick betrachtet Vivian Gornick die Menschen und Situationen. Ich bewundere ihre Intelligenz und ihre Ehrlichkeit dahingehend, dass sie gegenüber dem Leser ihre eigenen Stachel des Unmuts und elitärem Denken zugibt. An anderen Stellen bekam ich beim Lesen Gänsehaut, so achtsam, großzügig und scharfsichtig sind ihre Analysen. Manchmal musste ich laut auflachen über klugen Witz, den sie situationsbedingt erkennt.
Vivian Gornick betreibt Flanieren und nützliches Alleinsein, getragen von ihrer Stadt, von ihrer Suche nach sich selbst, von ihren Begegnungen, von ihrer Freundschaft und dem großen Gewinn, den sie für sich selbst daraus zieht. 
Das Buch hat mich in den Bann gezogen, nicht zuletzt wegen der sprachlichen Brillanz und wegen ihrer konsequent feministischen Betrachtungsweise.

Es ist ein wunderbares Buch, wenn man sich darauf einlässt, dass es eben kein Roman ist sondern aneinandergereihte Episoden, die scheinbar nur ganz lose miteinander verknüpft sind aber dennoch einem Pfad folgen, nämlich dem der Stadt New York selbst, der Offenheit und Toleranz, dem Hochhalten der Freundschaft und dem „nützlichen Alleinsein“.





Vivian Gornick
„Eine Frau in New York“
Gebunden, 160 Seiten
Erschienen bei Penguin
am 15 Juni 2020
ISBN 978-3328600886
Preis 20 €