24. November 2019

Skandalträchtiger Entwicklungsroman





Das Buch „Das Lied vom roten Rubin“ ist ein Entwicklungsroman, Teil einer Trilogie über Ask Burlefot, den der Norweger Agnar Mykle 1957 veröffentlichte und der jetzt in neuer Übersetzung vorliegt. Als skandalträchtig gilt das Buch, weil es wegen Sexszenen in Norwegen verboten wurde. Allerdings wurde der Autor vom Vorwurf, eine unzüchtige Schrift verbreitet zuhaben, von einem Osloer Gericht freigesprochen. Und dem Buch war und ist großer Verkaufserfolg in weniger puritanischen Ländern beschwert gewesen.

Das alles lenkt leider etwas ab von der Geschichte, die Sittengemälde von Norwegen in den 1930er Jahren und eine Entwicklungsgeschichte ist. 
ASK Burlefot ist mittlerweile Anfang 20 und Student an der Universität in Bergen. Man begleitet ihn von 1938 bis Frühjahr 1939, in direktem Anschluss an den Vorgängerroman „Liebe ist eine einsame Sache“, der ebenfalls in Neuübersetzung erschien. Man begleitet Ask im Studentenleben, lernt Mitstudenten und Professoren kennen, erfährt von seiner Mitgliedschaft und den Mitgliedern einer sozialistischen Verbindung und nicht zuletzt auch von seinen Eroberungen der Frauen.
Bedingt durch seine Vorgeschichte, auf die es im Roman einige Hinweise gibt, ist Ask ein unsicherer Zweifler in vielerlei Hinsicht. Er zweifelt bezüglich seiner Frauengeschichten, aber eben auch bezüglich der Richtigkeit der sozialistischen Ansichten, die den Materialismus in den Vordergrund stellen.

Witzig und mit scharfen Blick, gut lesbar und dank der Neuübersetzung in moderner Sprache liest sich das Buch gut weg. Der Autor gewährt einen tiefen Blick auf seinen Hauptcharakter und auf seine Begleiter, der oft vom Sarkasmus geprägt ist. Er beschreibt gesellschaftliche und menschliche Zwänge, in die seine Figuren geraten, voller psychologischer Hingabe, ohne die damals üblichen Tabus.

Der Roman spiegelt die Norwegische Gesellschaft Ende der 1930er Jahre wieder, allerdings rückt das gegenüber der Entwicklung der Figur Ask sehr in den Hintergrund. Die Diskussionen um Norwegens Neutralität, insbesondere unter den Sozialisten, ist mir etwas zu mager ausgefallen für einen Roman, der zwei Jahr vor der Besetzung Norwegens durch die Deutschen spielt und in dessem zeitlichen Rahmenfenster Diskussionen zur Neutralität, zu Bündnissen mit anderen nordischen Staaten und zur Aufrüstung zur Verteidigung der Neutralität des Landes an der Tagesordnung waren. Ein narzisstischer Kampfgeist und Zweifler erschien dem Autor wohl interessanter, von dem nach meiner Meinung ohne seine romantischen sozialistischen Ideen, von denen er sich im Laufe der Handlung immer mehr entfernt, für mich leider nicht viel Spannendes bleibt außer seinem Hang, seine Sexualität zu befriedigen, auch wenn den dabei beschriebenen Szenen für mich wenig Pornografisches anhaftet, wie dem Autor und seinem Verleger im Gerichtsprozesse vorgeworfen wurde und was zum Verbot des Buches in Norwegen führte.

Wenn man die Zeit, in der der Roman geschrieben wurde, erschien, ist es allerdings ein durchaus revolutionäres Buch, auch wenn davon heute leider nur noch wenig spüren ist, wie gesellschaftskritisch einer der wichtigsten Norwegischen Autoren schrieb. Vielleicht sollte man auch den ersten Band der Trilogie zuerst lesen, um der Hauptfigur mehr Tiefe abgewinnen zu können. Denn trotz der Hinweise und Rückblicke auf seine Vergangenheit blieb Ask für mich etwas zu blaß und wenig greifbar, was sicher nicht zuletzt daran liegt, dass von ihm in der dritten Person gesprochen wird.

Trotz meiner Kritikpunkte ist es ein lesenswertes drei-Sterne-Buch, dem bei der Einführung durch den Verlag sicher gut getan hätte, den Zusammenhang zu den anderen Bänden zu erwähnen und nicht auf der Skandalwelle zu reiten.

Der Autor Agnar Mykle verarbeitet in der Trilogie eigene Erlebnisse, alle drei Romane tragen autobiografische Züge. Er selbst besuchte Ende der 1930er Jahre die Handelshochschule in Bergen, war in den 1940er Jahren Journalist in der Arbeiterbewegung.
Nach dem Skandalprozess um das vorliegende Buch zog er sich zurück.
Seine Romane sind geprägt von Satire, Gesellschaftskritik und Abhängigkeiten, insbesondere auch durch sexuelle Zwänge.

Agnar Mykle „Das Lied vom roten Rubin“
Roman gebunden, 448 Seiten
Neuübersetzung
erschienen im Ullstein Verlag
am 27. September 2019
ISBN 978-3550050022

Preis 26€

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.