31. Januar 2016

Regionalkrimis aus dem Emons-Verlag ZWÖLF

Rezension zu "Schreie im Nebel"





Äußerst bizarre Morde, ein eigenbrötlerischer Kommissar und eine herbstlich-melancholische Stimmung prägen diesen spannenden und geschickt verwirrenden Regionalkrimi vom Bodensee. Dass es sich dabei um ein Debüt handelt, merkt man nicht.

Kommissar Sito (Weintrinker, Zigarrenraucher und Verganer) wird zu einem extrem zugerichtetem Mordopfer in einer alten Fabrik gerufen: ein kopfüber hängender nackter Mann mit aufgeschnittener Kehle und ausgeblutet, wie Schlachtvieh drapiert. Nach einiger Zeit taucht am gleichen Ort ein weiterer Toter auf und es liegt für die Ermittler auf der Hand, dass es sich um einen Serientäter handeln muss.
Weitere grausame Morde folgen, die Oper werden fast alle im gleichen Raum, in der alten Fabrikhalle, positioniert.

Am Tatort taucht nach dem ersten Mord eine junge Malerin auf, die Zeichnungen der ersten Leiche besitzt. Dieses Detail der Ermittlungen und die Tatsache, dass der Mörder Sito zu kennen scheint und ihm mit seinen Taten eine Botschaft übermitteln will, schaffen eine sehr spannende und verwirrende Atmosphäre.

Der Kommissar ist als eigenbrötlerischer, melancholischer und komplizierter Charakter gezeichnet, der Geheimnisse zu hüten scheint und einen besonderen Bezug zu seinem Vater hat. Ein ebenso schwieriges und zwiespältiges Verhältnis zum Vater hat sein Kollege, der Profiler Dr. Enzig, der zum Ermittlerteam zählt, aber eigentlich durch Empfehlung seines Vaters von der Abteilung interne polizeiliche Ermittlungen auf Kommissar Sito angesetzt wurde.

"Ein Krimi ist für mich die Möglichkeit, meine Figuren an den äußersten Rand des Vorstellbaren zu schreiben, sie dort zu beobachten, immer zu wissen, dass ich sie genau kenne, dann zu entscheiden, wen ich wieder von dort zurückschreiben will."
Das schreibt die Autorin über die Charaktere ihres Buches, ich finde, ihr ist das hervorragend gelungen.

Ein wichtiger Ansatz der Handlung ist der Raum, in dem die Morde verübt wurden. Bei Nachforschungen über die frühere Verwendung der alten Fabrik treten Sachverhalte zutage, die zum einen bis in die Nazizeit zurückführen, zum anderen das Augenmerk der Ermittlungen auf die letzte Nutzung vor der Stilllegung richten. Dadurch ergeben sich viele Fäden und Möglichkeiten als Ansatz für die Motive der Morde, die das Ermittlerteam entwirren muss und die mir als Leser viele Möglichkeiten zum Rätselraten gegeben haben.

"Ein guter Krimi muss nachhaltig verwirren, nicht nur spannend unterhalten.", so die Autorin dazu.

Im letzten Teil des Buches ist der Mörder dem Leser bekannt und der Krimi entwickelt sich für meinen Geschmack zu sehr in Richtung Psychothriller.
Der Showdown passt mit der physisch und psychisch plötzlich enorm gesteigerten und sehr greifbaren Gewalt meiner Meinung nach nicht ganz zum Rest des Buches, das eher von Verwirrung und dem Verfolgen verschiedener Wege der Ermittlungen in der Vergangenheit und in der Gegenwart lebt.
Deshalb erhält dieser ansonsten hervorragende und sehr intelligent konstruierte Krimi von mir einen Punkt Abzug in der Wertung.

Fazit:
Psychologisch sehr ausgefeilter und anspruchsvoller Krimi, der Verwirrung und Spannung zugleich schafft, am Ende für meinen Geschmack jedoch zu sehr Thriller-like daher kommt.


Tina Schlegel

Schreie im Nebel

Bodensee Krimi
Broschur
13,5 x 20,5 cm
384 Seiten
Erschienen im Emons-Verlag Oktober 2015
Euro 11,90 [D] , 12,30 [AT]

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