21. Januar 2016

Regionalkrimis aus dem Emons-Verlag NEUN

Rezension zu "Goethes Leichen"





Im historischen Kriminalroman von Paul Kohl aus dem Emons-Verlag stecken neben einer teuflisch-spannenden und teils surrealen Handlung sehr gute Beschreibungen der vor-revolutionären misslichen Zustände in Weimar in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Goethe hat sich im Roman tatsächlich mit Mephistopheles eingelassen und tritt in sehr finsterer und selbstherrlicher Art so ganz unklassisch und inhumanistisch als drähteziehender Geheimrat des Herzogs Karl August in Erscheinung.

Der Archivar Kestner wird 1783 nach Weimar entsandt, um eine wertvolle Zeichnung zurück zu ihrem rechtmäßigen Eigentümer, Kurfürst Georg III, nach Hannover zu bringen. Während Kestner gemeinsam mit seinem Gehilfen Lorenz in Weimar dem wertvollen Blatt nachjagt gerät er in einen Strudel aus Verbrechen und Missständen, die ihn zu Nachforschungen bewegen. Die erhoffte Hilfe von seinem alten Freund Geheimrat Goethe bleibt aus, weil dieser um Aufdeckung seiner finsteren Machenschaften fürchtet. Verfolgt und bedroht von Mephistopheles geraten Kestner und Lorenz in tödliche Gefahr.

Das Buch lebt zum einen von der intelligent konstruierten Handlung, zum anderen vom sehr gut recherchierten historischen Hintergrund der Zustände und Figuren im Weimar des 18.Jahrhunderts. Sehr bildhafte Beschreibungen lassen beim Lesen Kopfkino entstehen und man fühlt sich in Goethes Klassikerstadt versetzt. Historische Gebäude, Personen und Ereignisse der damaligen Zeit werden geschickt mit der fiktiven Handlung verknüpft, so dass ich mich als Leser teilweise wirklich durch das spätherbstliche mystische und stinkende Weimar eilen sah, umgeben von finsteren Gestalten. Die Beschreibung der unfassbar grausamen Zustände und Ungerechtigkeiten haben mich den Atem anhalten lassen und die unglaublichen menschlichen Abgründe der Drahtzieher ließen mich frösteln.

Der gut lesbare Sprachstil und die Zeichnung der Charaktere passt für mich sehr gut zu einem historischen Krimi. Alle handelnden Charaktere haben vom Autor einen plausiblen, glaubhaften und zum Teil sehr tragischen Hintergrund erhalten und wirken dadurch dreidimensional. Dass dabei Klassiker von Goethe als Figurenvorlagen herangezogen werden und dass Goethe selbst als Finsterling erscheint macht die besondere Würze dieses Buches aus.

Einen kleinen Kritikpunkt habe ich jedoch, wobei das ein sehr persönliches Empfinden ist. Im letzten Viertel des Buches glitt mir die Handlung zu sehr ins Surreale ab. Das passt zwar zur Mephistopheles-Geschichte und ist sicher auch ein kluger Kniff, um einen fulminanten Showdown zu erzeugen, hat mir persönlich aber nicht so gut gefallen, weshalb ich einen Stern abziehe.

Fazit:
Wer kluge historische Krimis an realen Schauplätzen und Vermischung von Geschichte und Fiktion liebt, ist bei diesem spannenden Buch bestens aufgehoben.





Paul Kohl

Goethes Leichen

Historischer Kriminalroman
Broschur
13,5 x 20,5 cm
288 Seiten
Erschienen im Emons-Verlag Oktober 2015
Euro 11,90 [D] , 12,30 [AT]

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