25. April 2016

Rezension zu "V5N6 - Tödliches Fieber" von Louise Welsh




Das kluge Endzeitszenario "V5N6" der Autorin Louise Welsh ist eine sehr spannende Mischung aus Seuchenthriller und medizinischem Krimi, das in London angesiedelt ist und den ersten Teil einer Trilogie darstellt.
Menschlich-soziale Aspekte stehen gegenüber nägelkauender Spannung im Vordergrund, und dennoch oder vielleicht gerade deswegen ist das Buch für mich ein Pageturner.

Klappentext:
Oberflächlich betrachtet hatten die drei Amokläufe in London in diesem heißen Sommer nichts mit den späteren Ereignissen zu tun, aber für Stevie Flint waren sie wie ein Menetekel für das, was noch kommen sollte. Als ihr Freund sie versetzt und sie ihre Sachen aus seiner Wohnung holen will, findet sie ihn tot in seinem Bett. Kurz danach wird sie krank. Hohes Fieber, Erbrechen, Schüttelfrost. Als sie nach Tagen wieder mühsam auf die Beine kommt, hört sie, dass sich in London ein tödliches Virus verbreitet: Am 'Schwitzfieber' sterben die Leute in wenigen Tagen, die Krankenhäuser und Leichenhallen sind bereits überfüllt. Stevie Flint kümmert das nicht, sie hat eine eigene Mission. Auch wenn es in einer Stadt voller Toter nicht nach einem Mord aussieht: Sie ist überzeugt, dass der Tod ihres Freundes Dr. Simon Sharkey weder auf das Virus noch auf Selbstmord zurückzuführen ist und macht sich auf die Suche nach seinem Mörder. Diese wird für sie zu einem Wettlauf gegen den Tod, der mitten ins Herz einer sterbenden Stadt führt. Ein Thriller, der uns an die Zerbrechlichkeit unserer Zivilisation erinnert.

Das besondere am Roman von Louise Welsh ist, dass es sich weder dem Genre Thriller noch dem Genre Endzeithorror mit allen den beiden Richtungen anhaftenden Klischees und Plattheiten zuordnen lässt und dennoch mit dem Spannungsbogen sehr erfolgreich und gekonnt umgeht. Natürlich finden sich typische Elemente aus Dystopie-Literatur, wie leergefegte Straßen, menschliche Verrohung, Genusssucht, abgeriegelte Bereiche von reichen Gegenden und städtisches verrohtes Chaos, doch diese Bilder sind lediglich Handlungshintergrund für ein sehr gekonnt konstruiertes kriminalistisches und soziales Drama. Ebenso fehlen die typischen Thriller-Brutalitäten, vielmehr spielen zwischenmenschliche Töne und der Tod eines Einzelnen und dessen Aufklärung in einer dem Untergang geweihten Stadt mit all seiner Wichtigkeit für die Protagonistin die wesentliche Rolle.
Das macht das Buch für mich sehr lesenswert.

Erschreckend nahe ist man der Geschichte und der Protagonistin Stevie beim Lesen durch aktuelle Epidemien wie Ebola oder Zika oder durch das Wiederaufflammen in Vergessenheit geratener mittelalterlicher Krankheiten und die Verwüstung, die diese Seuchen hinterlassen. Gemeinsam mit Stevie kann man durch die für dieses Genre teilweise ungewöhnlich poetische Sprache selbst dem Untergang und der Apokalypse Schönheit abgewinnen, die menschliche Verrohung bleibt am Ende auf der Strecke und zurückgelassen wird man als Leser mit melancholischer Stimmung, schwankend zwischen Niedergeschlagenheit und vorsichtiger Hoffnung.

Ich gebe eine klare Leseempfehlung mit 4 Sternen für Liebhaber von Dystopien und auch für Leser von klug konstruierten Thrillern und freue mich auf die weiteren Bände.





Louise Welsh "V5N6 Tödliches Fieber"
352 Seiten, Hardcover
ISBN 978-3-95614-090-7
Erschienen im Kunstmann-Verlag
Februar 2016

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