20. April 2016

Rezension zu " Im Himmel gibt es Coca Cola" von Christina Nichol




Warten auf Elektrizität, Warten auf Demokratie als Ablösung der Schewadnadse-Regierung, Warten auf das seit sechs Monaten ausstehende Gehalt, Warten auf den richtigen Moment zur Umsetzung einer der vielen zündenden Geschäftsideen - das tut der Protagonist Slims Achmed Makaschwili gemeinsam mit seinen Freunden und Familienangehörigen in Georgien im Jahr 2003.

Der Roman beschreibt den Alltag der Personen im Umkreis des Protagonisten Slims, dem Seerechtsanwalt aus Batumi am Schwarzen Meer mit vielen Vorwärts- und Rückwärts-Sprüngen und eingestreuten Geschichten und Gedichten, die der georgische Mentalität und Tradition mit einem lachendem und einem weinenden Auge entsprechen. Man treibt als Leser gemeinsam mit den Figuren durch den Tag, und wartet irgendwann ebenfalls auf die Elektrizität und auf bessere Zeiten. Die Situationen sind oft sehr komisch und auf skurril-witzige Art geschrieben, doch dahinter stehen die Schwierigkeiten der Menschen, sich das Nötigste des Alltages zu beschaffen.

Slims schreibt Briefe über seine und die georgische Alltagssituation an Hillary Clinton, mit der Bitte um Verständnis und Hilfe. Er überschüttet seine ungewöhnliche Ansprechpartnerin dabei auf naiv-kindliche Art mit Skurrilitäten und Situationen, die in westlichen Ländern einfach unvorstellbar sind. Natürlich bekommt er von ihr keine Antwort, doch eines Tages passiert das Unfassbare: Slims bekommt eine Einladung zur Schulung nach Kalifornien. Ob er sich dort zurechtfindet, den amerikanischen Traum träumt oder zurückkehrt mag ich hier nicht verraten.

Für mich sind die georgischen Menschen, von denen im Roman erzählt wird, liebenswert, naiv und verrückt, abergläubisch, melancholisch, hoffnungsvoll, erfinderisch und verschwenderisch. Jeder Mann scheint einen Gereralplan zur Gründung eines Unternehmens mit sich herumzutragen und handelt gleichzeitig wie ein Krimineller, und das gehört zur Normalität.
Im krassen Gegensatz dazu stellt die Autorin die amerikanische Lebensweise mit organisiertem gemeinsamen Handeln, Teambildungsmaßnahmen, Rechtssinn und einem inneren Polizisten sowie Bioladenkost und sozialer Verantwortung und vor allem ständig vorhandener Elektrizität dar, dabei kommt jedoch der ausgeträumte "Amerikanische Traum" nicht unbedingt besser weg als das verrückte georgische Durcheinander.

Der Sprachstil der Autorin ist ungewöhnlich, so dass man sich als Leser fallen lassen sollte. Comic-hafte Bilder und Episoden sowie Zeitsprünge in beide Richtungen prägen das Geschehen. Es ist zwar ein Handlungsfaden zu erkennen, der jedoch nicht das Wesen dieses Buches ausmacht.
Der Humor prangert an und ist sarkastisch, oft sogar zynisch. Ich bin mir beim Lesen des Buches immer sehr bewusst gewesen, und das wird durch den Schreibstil auch vermittelt, dass es für die Menschen in Georgien nicht nur lustig war und ist, in einem derart niedergewirtschaftetem Land unter Korruptionsherrschaft leben zu müssen.
Schön und authentisch fand ich es, dass ich als Leser durch Slims und seine Freunde einen liebevoll-satirischen Blick auf die Georgier und ihre Lebensart vermittelt bekommen habe und dass die Anprangerung der herrschenden Zustände nicht plakativ und mit laut schallendem Gelächter gemacht wird sondern mit leisem teils bitterem Kichern.

Zitat von Seite 414
"Wenn jemand falsches Geld druckt, braucht er es doch offensichtlich"
Zitat von Seite 423
"Um ein Land zu zerstören, brauchst du keine Bombe abzuwerfen. Du musst nur den Preis der Wassermelone verdreifachen."

Gestört haben mich beim Lesen des Romans jedoch ein paar Längen in der Geschichte, die in meinen Augen nur Wiederholungen von Geschehnissen sind und das ewige Warten auf Elektrizität und bessere Zeiten für mich als Leser in Wartestellung zu intensiv verdeutlichen, weshalb ich bei der Bewertung einen Punkt abziehe.

Fazit:
Lesenswerte Satire zur georgischen Mentalität und über ein Land im Wandel



Christina Nichol
Im Himmel gibt es Coca Cola
ISBN 978-3-86648-234-0
Roman
Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt
448 Seiten
Erschienen im Mare Verlag
Februar 2016

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