26. April 2016

Rezension zu "Des Tauchers leere Kleider" von Vendela Vida




KLAPPENTEXT
Eine Amerikanerin reist überstürzt nach Casablanca. Der Grund für ihre Reise ist unklar. Kaum in ihrem Hotel angekommen, wird sie ausgeraubt. Die Polizei und die Hoteldirektion versuchen scheinbar, den Dieb zu fassen, haben sich aber eigentlich gegen die Amerikanerin verschworen. Auf der Polizeiwache wird ihr der Rucksack einer fremden Frau ausgehändigt, deren Identität sie gezwungenermaßen annimmt. Vorübergehend, wie sie denkt, bis sich alles aufgeklärt hat. Doch einmal von der Last des eigenen Ich befreit, beginnt sie, Freude daran zu empfinden, sich von der Frau, die sie einmal war, immer mehr zu entfremden. Bis sie eine berühmte Hollywood-Schauspielerin kennen lernt und einen Schritt zu weit geht.
"Des Tauchers leere Kleider" erzählt das Abenteuer einer Frau, die allen Grund zur Flucht hat – einer Frau, die sich in eine fremde Landschaft begibt, um zu vergessen, und dabei zum ersten Mal zu sich selbst findet. Mit Anklängen von Alfred Hitchcock und Patricia Highsmith: ein Roman voller extravaganter Vergnügungen.

Das Buch spielt mit Identität und Identitätsverlust und unserer Abhängigkeit oder Unabhängigkeit davon. Der Ansatz ist sehr interessant, dass eine dem Leser unbekannte Frau in einem fremden Land ihrer persönlichen Gegenstände und durch eine Reihe von Zufällen und Verstrickungen auch ihrer Identität beraubt wird, ohne straflose und glaubhafte Möglichkeit, diese wiederzuerlangen.
Man fühlt sich beim Lesen nahe bei der jungen Frau, deren Namen und Identität man nicht kennt, fiebert anfangs mit ihr durch die Verwicklungen, an denen sie selbst teilweise schuld ist, die sich zum Teil auch zufällig ergeben. Nähe wird dadurch aufgebaut, dass die Protagonistin dem Leser sehr vertraulich von ihren Erlebnissen berichtet, indem sie diese nicht in der Ich-Form, sondern in der Du-Form erzählt, so wie man es vielleicht gegenüber einem engen Freund tun würde oder vielleicht auch im Selbstgespräch. Dadurch wird der Leser in die Handlung einbezogen, und auch wenn nicht immer klar ist, ob die Vorgänge tatsächlich so geschehen oder der verdrehten Wahrnehmung der Frau entspringen entspringen fiebert man anfangs um den Fortgang der Ereignisse.

Doch leider ist genau dies auch das große Manko des Romanes. Die Geschichte wendet sich zwar nach rechts und links, aber die ausschließliche Zwiesprache der Protagonistin mit sich selbst bzw. mit dem Leser verhindert den interessanten Wechsel von Blickwinkeln ebenso wie Berichte aus der Vergangenheit und den Aufbau weiterer Charaktere. Auch die Erzählerin selbst ist nicht greifbar und wirkt blass. Dadurch verliert der Roman leider sehr viel Boden, schafft großen Abstand zum Leser, der sich im Laufe der Zeit mehr und mehr ausgeschlossen fühlt und das Geschehen nur noch wie durch ein Fernglas betrachtet, weil irgendwie alles auf Anfang steht. Das Buch wirkt trotz interessanten Ansatzes leider nur oberflächlich, obwohl man aus Neugier immer weiter liest und irgendwann abrupt zum Ende kommt.

Positiv zu werten ist für mich die Kulisse des Romans, Marokko und insbesondere Cassablanca erwachen durch die Augen der unbekannten Erzählerin zum Leben. Die Stadt wirkt bedrohlich und feindlich auf die unbekannte Frau und auf den Leser, man spürt sie Gefahr wie in einem guten Film, insbesondere am Beginn des Romanes.

Fazit:
Eine sehr interessante Grundidee der Erzählweise, die jedoch im Laufe des Romanes zu oberflächlich wirkt und verschiedene Sichtweisen und andere Betrachtungen verhindert. 3 Sterne

Die Autorin Vendela Vida ist eine der Herausgeberinnen des Believer Magazine. Sie lebt mit ihrem Ehemann Dave Eggers in San Francisco und hat bisher vier Romane veröffentlicht.



Vendela Vida "Des Tauchers leere Kleider"
Übersetzt von Monika Baark
Gebunden mit Schutzumschlag, 252 Seiten
ISBN 978-3-351-03629-4
Aufbau Verlag, Februar 2016
19,95 €

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