Ein großartiges Setting und ein wirklich interessanter Plot versprechen neben der Spannung ein Buch, das in Manier der Autorin ungewöhnlich und bohrend aktuelle Fragen auf literarisch-anspruchsvolle Art beleuchtet. Es ist ein spannendes Buch, eine Mischung aus Ökothriller und Gerichtsdrama. Allerdings sind für meinen Geschmack die Fäden, die durch Verknüpfung der gut recherchierten Fakten, der spannenden Geschichte und vor allem den Charakteren das Ganze zu einem Roman machen, etwas mürbe und reißen zu schnell.
Abschmelzende Polkappen, Geld-und Machtgier, Waffenhandel, Forschergeist, höchst exklusiver Lebensstil ohne Rücksicht auf Verluste, Manipulation und eine Leiche sind die Zutaten der Geschichte.
Beim Kalben eines Gletschers wird der tote Körper des drei Jahre zuvor im arktischen Eis verschollenen Umweltaktivisten Thomas Harding freigegeben, entdeckt von einem Kreuzfahrtschiff auf der Suche nach Eisbären. Hardings Freund und Geschäftspartner Sean Cawson war mit ihm auf der Expedition unterwegs und gerät unter Verdacht. In einer gerichtlichen Anhörung, die die Rahmenhandlung des Buches in der Erzählgegenwart bildet, sollen die damaligen Ereignisse rekonstruiert werden und Klärung darüber erfolgen, ob Sean am Tod seines Partners Tom, mit dem er eine exklusive arktische Lounge eröffnet hatte und damit gleichzeitig die Arktis schützen wollte, Schuld trägt oder nicht.
Die Geschichte kreist um die Ereignisse in der Vergangenheit, die zur gemeinsamen Partnerschaft und zum Tod Toms geführt haben und entblößt die volle Bandbreite unternehmerischer Raffgier und Manipulation, die skrupellos profitgierig um die letzten unberührten Orte im arktischen Eis wetteifern, verfilzte und erst nach mehreren Blicken ersichtliche Strukturen zur Finanzierung durch Waffenhandel haben und dabei keinen Gedanken an die Zukunft aller verschwenden. Es ist aber auch eine Geschichte über hohe menschliche Ziele, Abenteuerlust und Freundschaft, die an der Wirklichkeit zerschellt sind. Wie verschieden waren die Vorstellungen der beiden Freunde und Partner bezüglich Umweltschutz und Unternehmertum tatsächlich? Zogen die beiden an einem Strang oder waren sie schon zu Gegenspielern geworden?
Prinzipiell ist die Geschichte thematisch höchst interessant, mit der faszinierenden Arktis als zu schützender Naturraum in einer durchaus vorstellbaren nahen Zukunft, in der preiswerte transkontinentale Handelsrouten über den geschmolzenen Nordpol wichtiger sind als ökologische Aspekte. Laline Paull weiß auch durch ihren schön dreidimensionalen Schreibstil den Leser bei der Stange zu halten. Aber vieles bleibt für mich nicht gut greifbar und ähnelt eher einem platten Bericht als einem guten Roman. Die Charaktere sind mir zu einfach gestrickt, und auch wenn man erst gegen Ende des Buches mit der „Wahrheit“ versorgt wird, folgen die Figuren vorhersehbar und stereotyp, fast klischeehaft ihrem Weg.
Das stört mich übrigens am meisten an dem Buch, dass es einfach zu viele Schubladen gibt, die aufgezogen, eine Person entnommen und ein bisschen laufen gelassen wird, um sie anschließend wieder zuzuschieben, schön getrennt und beschriftet, ohne erkennbare Grauzonen. Ich vermisse die Nähe zu den Figuren, es kommt keinerlei Empathie auf. So bleibt es einfach nur ein Ökothriller mit ungewöhnlichem Setting, zwar spannend aber mehr leider nicht.
Noch dazu erinnert die Thematik zusammen mit dem hochgelobten ersten Buch der Autorin doch sehr an Maja Lunde und ihre Führung durch bedrohte Gebiete. Musste wegen der Veröffentlichung des zweiten Bandes von Lundes Öko-Quadologie „Die Geschichte des Wassers“ dieses Buch auch schnell erscheinen und wirkt deshalb streckenweise seltsam unausgegoren, so als hätte Laline Paull den Rahmen gebaut und dann einfach aufgehört?
Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nach den vielen guten Kritiken zu „Die Bienen“ mit einer Erwartungshaltung an das Buch herangegangen bin, die nicht erfüllt wurde. Es ist für mich eine solide 3,5 Sterne Geschichte mit einer großartigen Grundidee, die zwar über weite Strecken recht spannend umgesetzt wurde, aber insgesamt für meinen Geschmack zu leblos zusammengeschrieben ist, mehr eben leider nicht.
Laline Paull „Das Eis“
Roman, gebunden, 448 Seiten
Verlag: Tropen
31.März 2018
ISBN 978-3608503524
22,00 €
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