Hannes Köhler hat in seinem Buch „Ein mögliches Leben“ einen spannende und interessante Geschichte über einen deutschen Wehrmachtssoldaten in Amerikanischer Kriegsgefangenschaft am Ende des zweiten Weltkrieges zu erzählen. Er verknüpft dies geschickt mit der Familiengeschichte des alten Franz, der sich mit seinem Enkel Martin auf eine Reise in die Vergangenheit und zu den Orten seiner Gefangenschaft in den USA begibt, die er sich seit vielen Jahren gewünscht hat und die er als uralter Mann endlich unternimmt.
Ganz nahe ist man dem Alten und seinen Erinnerungen an die Zeit seiner Gefangenschaft in den USA, vom Zeitpunkt der Gefangennahme in der Normandie, bei der seine Erleichterung und gleichzeitige Scham über das Davonkommen vom Krieg spürbar ist, bei den Anfeindungen und Übergriffen strammer Hitlergetreuer Deutscher im Lager in sengender texanischer Sonne und bei seinem fast gelöstem Lagerleben in Utah, wo er für einen amerikanischen Offizier als Übersetzer und Fahrer arbeiten darf.
Man spürt in den Erinnerungen seinem Wandel zum Demokraten und den Gründen für sein schweigsames und gegenüber Frau und Tochter abgeschottetes Leben in Deutschland nach. Erst der Enkel Martin schafft es, obwohl sich die beiden Männer bei Beginn der Reise eigentlich fremd sind, dass Franz sich öffnet und auch gegenüber der einstmals verstoßenen Tochter Barbara Sprache und Erklärungen zu finden vermag.
Die Geschichte entwickelt nach einem für mich etwas langweiligem Einstieg in der Gegenwart einen Sog, dem man sich nicht zu entziehen vermag. Die Erinnerungen des alten Franz an seine Gefangenschaft, sein Freundschaft zu einem Mitgefangenen, seine Zerrissenheit zwischen der ihm eingebläuten Kameradschaft gegenüber den deutschen Mitgefangenen und der humanistisch-demokratischen Gesinnung, die in ihm wächst, sind beim Lesen fast greifbar und halten gepackt.
Fast atemlos, ein bisschen mäandernd und mit vielen Rückblicken auf die familiäre Basis und die nationalsozialistische Prägung zur Zeit der Machtübernahme durch Hitler bis zum Kriegseintritt erinnert sich Franz und man ist hier wirklich dicht bei ihm.
Ich liebe diese Art des Erzählens mit langen, aber nicht bandwurmlangen Sätzen ohne wörtliche Rede, bei der man den für mich intensivsten Eindruck der Gedanken des Protagonisten hat.
Was mich ein bisschen gestört hat ist der für mich nicht besonders interessante Einstieg in die Geschichte in der Gegenwart, bei der Martins Leben im Vordergrund steht, während er seinen Großvater trifft und sich mit ihm auf die Reise in die USA begibt. Das bewog mich dazu, einen Stern abzuziehen, weil hier ein bisschen Durchhalten gefordert ist, auch wenn es nicht allzu viele Seiten sind.
Insgesamt hat mich das Buch beeindruckt, hervorragend recherchiert bietet es eine für mich spannende, ungewöhnliche und interessante Geschichte über einen POW (Prisoner of War) und dessen Wandel aus nationalsozialistischer Erziehung und Kameradendenken heraus zum humanistischen Demokraten, sein Zwiespalt, der sich für mich auch in der Familiengeschichte widerspiegelt.
Ein mögliches Leben von Hannes Köhler
Roman, gebunden, 352 Seiten
Erscheint am 23.Februar 2018
Verlag Ullstein
ISBN 978-3-550081859
22 €
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