13. Februar 2020

Erstklassige Kriminalliteratur




Zwei unterschiedliche Schwestern, einst kaum zu trennen, heute ohne Kontakt und auf unterschiedlichen Lebenslinien und Frauenmörder im kriminell-heruntergekommenen Stadtteil Kensington von Philadelphia sind die Zutaten zum nunmehr vierten Roman der amerikanischen Autorin Liz Moore „Long Bright River“, den ich nach dem Beginn kaum noch aus der Hand legen konnte.

Die Streifenpolizistin Mickey wachte in den letzten Jahren insgeheim über ihre drogenabhängige Schwester, doch sie kann sie nicht mehr auf der Straße finden und befürchtet das Schlimmste. 
In einem äußerst geschickten Mix aus spannendem Krimi, Milieustudie und Familiengeschichte breitet die Autorin die Handlung fast Filmszenenartig vor dem Leser aus. Mit Rückblenden in die Kindheit werden aus Mickeys Sicht  ungeschönt und lebensecht die Lebenslinien der ungleichen Schwestern verfolgt, aus dem Dunkel erscheinen Kriminelle und Drogendealer wie ins Blitzlicht getaucht sowohl am Rand der Geschichte als auch mittendrin.

Die einzelnen Handlungsstränge verknüpft die Autorin in meisterlicher Manier, ganz im Sinne ihrer angenehm minimalistischen Sprache, auf nicht vorhersehbare Weise. Das macht das Buch zugleich zu einem spannenden Krimi, bei dem man gut miträtseln kann. In beiden Ebenen der Geschichte erhält man tiefe Einblicke sowohl in die Familiensituation mit den drogenabhängigen Eltern, unfähig sich um die beiden Mädchen zu kümmern, mit Kleinkriminalität bei vielen Familienmitgliedern und mit Mickeys Einsamkeit durch ihren Job, der in der Familie nicht akzeptiert ist. Gleichzeitig schaut man beim Lesen ins Innere des heruntergekommenen Stadtteils Kensington und seiner zunehmenden Gewalt, nicht von außen mit bequemer Distanz sondern in der Mitte stehend.

Die Morde an drogenabhängigen Prostituierten sind der spannende Aufhänger der Geschichte um die zwei ungleichen Schwestern, durch den eindrucksvoll aus dem Blickwinkel einer verzweifelten Ermittlerin beim Leser eher Mitleid und Traurigkeit statt Abscheu hervorgerufen wird. 
Kein Thrillerartiger Zoom fokussiert die Gewalt, sondern der warmherzige und konsequente, wenn auch manchmal nutzlose Widerstand von Mickey gegen die Brutalität bestimmt die Grundstimmung im Buch und schafft Verständnis für die Situation. Und das macht den Roman zu einer Perle unter der Spannungsliteratur.




Liz Moore „Long Bright River“
Roman gebunden, 414 Seiten
Erschienen beim Verlag C.H. Beck
am 27. Januar 2020
ISBN 978-3-406748844

Preis 24 €

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