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Eine sprachliche Wundertüte ist der neue Roman von Markus Zusak „Nichts weniger als ein Wunder“, mit einer Geschichte über fünf Brüder, die den viel zu frühen Verlust ihrer Mutter verkraften mussten und sich allein durch Leben schlagen, zusammen stehen obwohl es auf den ersten Blick nach Zersplitterung und ewigen Jungskämpfen aussieht.
Gegen den Strich und ungewohnte Konzentration abfordernd ist die Sprache, zerpflückt und zersprungen, danach neu und sehr poetisch zusammengesetzt bildet sie eine Einheit mit und zu der Geschichte der raufbeinigen Dunbar-Brüder, die ebenfalls zersplittert scheinen und sich neu zusammenfügen müssen.
Als die Dunbar-Jungs noch viel zu klein dafür sind müssen sie ihre Mutter Penelope beim Sterben begleiten. Der Vater Michael unterscheidet sich in seiner Hilflosigkeit nicht wirklich von seinen Söhnen, die Familie lebt monatelang im Ausnahmezustand mit „diesem Sterbekram“ ihrer Mutter. Sie rücken zusammen, nah an Penelope, die Jungs schwänzen Schule um bei ihr am Bett zu sein, raufen, streiten und lieben sich.
Der älteste Sohn Matthew erzählt die Geschichte um die Erinnerungen, tippt sie oft zunächst nur an, um sich dann wieder zurückzuziehen und später mit voller Wucht anzusprechen, und was ihm und seine Brüder schmerzt tut auch beim Lesen entsetzlich weh. Die Geschichte pendelt zwischen der Vergangenheit von Penelope und von Michael, des Kennenlernens und der Liebe von Penelope und Michael, dem Sterben der Mutter und der Gegenwart, in der Clay dem Vater beim Bau einer Brücke hilft, hin und her. Unsagbar viele Kleinode an Erinnerungssplittern prägen in allen Zeiten das Bild einer versehrten Familie, die auf völlig verrückte Weise mit Schmerz umgeht, jeder der Brüder auf seine Weise, und dennoch mehr auszuhalten vermag als man ihr zunächst zutraut.
Man braucht Zeit, um in die Geschichte hinein zu finden, die anfangs aus vielen Fäden, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, gewoben ist. Es scheint so, als wolle Zusak in ersten Teil zunächst das Durchhaltevermögen seiner Leser testen, bevor er sie im zweiten Kapitel an der Hand nimmt und durch sein Gespinst führt, und es entwickelt sich ein großer Sog, zwar immer noch mit vielen Anfangen ohne Ende, doch auch mit dem klaren Gefühl, dass sich am Ende alles irgendwie fügen wird. Und dies ist kein leeres Versprechen des Autors an den Leser, denn am Ende ergibt wirklich alles einen Sinn.
Und auch wenn es zunächst nicht so wirkt ist das Buch „Nichts weniger als ein Wunder“ ein zwar lange Zeit rätselhaftes und fast verwunschenes, aber eben auch sehr tröstliches und hoffnungsvolles Buch, das eine großartige, fesselnde Geschichte erzählt, völlig ohne Pathos, Gemeinplätze vermeidend, und eben gerade dadurch äußerst berührend, nachhallend und glaubhaft. Es lohnt sich, den verwirrenden und episodenhaften Beginn des Buches durchzustehen, sich an die fast märchenhafte, symbolträchtige Sprache zu gewöhnen, denn dann eröffnet sich ein wirklich gelungener, Roman, soghaft und voller Licht, in dem in einer leidgeprüften und scheinbar absolut kaputten Familie großartige Liebe und Zusammenhalt bestehen bleibt.
Fazit
Auch wenn ich mir zu Beginn eine etwas weniger poetische Sprache und einen leichteren Zugang gewünscht hätte, ergibt am Ende alles einen Sinn, bewundernswert fügt sich jedes noch so kleine Teilchen ins große Ganze und dieses wirklich bewegende Buch kann ich nur empfehlen.
Denn: letztlich muss alles so sein, und eine kürzere, unkompliziertere Geschichte hätte ich im Nachhinein betrachtet nicht gerne lesen wollen.
Markus Zusak
Nichts weniger als ein Wunder
Roman, gebunden, 640 Seiten
Erschienen im Limes Verlag am 4. Februar 2019
ISBN 978-3-809027065
Preis 22€ (D)
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