14. Januar 2020

Korrektur der Geschichte





Anselm Oelze hat mit „Wallace“ ein scheinbar aus der Zeit gefallenes unterhaltsames und amüsantes Buch über den Naturforscher Alfred Russel Wallace und den Museumsnachtwächter Bromberg auf dessen Spuren vorgelegt.

Nach Alfred Russel Wallace ist eine Trennlinie der Arten im Malaiischen Archipel benannt. Er war ein Zeitgenosse von Charles Darwin und hat gleichzeitig mit dem weltbekannte Erfinder der Evolutionstheorie selbige ebenfalls entwickelt. Russel, britischer Zoologe, Botaniker, Artensammler und Reisender Naturforscher war mir bis zur Lektüre dieses Debütromans nicht bekannt.

Genau darum geht es in diesem philosophischen Abenteuerroman, dass die Forschungen von Wallace, die Charles Darwin erst zur Veröffentlichung seiner eigenen Forschungen anregten, ins rechte Licht gerückt werden, dass durch den Museumsnachtwächter Bromberg die Geschichte korrigiert wird. Ist das statthaft? Aber immerhin hatte Wallace seinen Brief mit seinen Forschungsergebnissen an Charles Darwin anstatt an ein Wissenschaftsjournal geschickt, und vermutlich war der Öffentlichkeitsdruck hinsichtlich des Erfolges nicht geringer als heute. Darwin jedenfalls erwähnt Sallace im Vorwort zu seinem bekanntestem Werk „Über die Entstehung der Arten“, aber Wallace blieb trotzdem die Nummer zwei in der Geschichte.

Albrecht Bromberg, der Nachtwächter, überkorrekt, schrullig und höchst intelligent, will die Geschichtsschreibung korrigieren wegen eben dieser Entdeckung, 150 Jahre nach Versendung des Briefes von Wallace an Darwin. Bromberg begibt sich zusammen mit dem Leser in die Vergangenheit auf die Spuren von Wallace und fasst so den Plan, die Geschichte umzuschreiben.

Zwei Außenseiter im Leben, Wallace und Bromberg, begleitet man in episodenhaft erzählten Kapiteln, man erlebt Passagen aus den Forschungsreisen an den Amazonas, den Rio Negro und in den Indonesischen Archipel von 1848 bis 1862. Den besagten Aufsatz zur Evolutionstheorie schickte Wallace 1858 an Darwin, der Begleitbrief ist verschollen. Genau das ist der Kern des Rätsels, dem Bromberg nachgeht.
Amüsiert bewegt man sich beim Lesen durch das Geschehen in den zwei Zeitebenen, die sich auch sprachlich unterscheiden. Schachtelsätze, die Spaß machen und 
wohl der damaligen Verschlungenheit beim Formulieren Genüge tun, in der Vergangenheit. Abenteuerlich und voll von Sonderbarem sind Wallace Reisen geschildert, ich habe diese Passagen genossen, auch wenn Wallace namenlos als „der junge Bärtige“ seltsam fremd blieb.
Den skurrile Bromberg finde ich als Figur insgesamt sehr gelungen. Ebenso seine verrückten Freunde als Mitglieder des seltsamen Elias-Birnstiel-Gesellschaft, die sich mit Anordnungsschemata, Intelligenzforschung oder Primzahlen befassen.

Auch optisch macht das Buch aus dem Verlag Schöffling &Co wie immer etwas her und wird dem Inhalt mit dickem cremefarben getöntem Papier, der schönen naturkundlichen Umschlaggestaltung und dem farblich passendem Lesebändchen mehr als gerecht, läßt kein bibliophiles Herz ein bisschen höher schlagen.


Anselm Oelze „Wallace“
Roman gebunden, 264 Seiten
Erschienen bei Schöffling & Co
am 5. Februar 2019
ISBN 978-3895611322

Preis 22 €

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