Sally rebelliert, gegen alles und Jeden. Sie ist wütend auf ihre Eltern, auf die Psychiater der Klinik, die ihr sagen, was sie tun muss um ihr Leben zu leben und wie sie mit ihren Essstörungen umgehen muss. Sie ist aus der Klinik geflohen und trifft auf Liss, eine knapp 50jährige Frau, die allein auf einem großen Bauernhof am Weinberg lebt. Liss nimmt Sally auf, und mit ihrem Pragmatismus beruhigt sie Sally, sie nimmt sie wie sie ist, sie legt ihr keine Verpflichtungen oder Empfehlungen nahe.
Beide beginnen vorsichtig, Vertrauen zueinander zu fassen und nähern sich aneinander an. Sally beginnt wieder zu essen, ohne dass es verlangt wird, sie findet großes Vergnügen an einfachen Kartoffeln oder an den Birnen alter Sorten, die Liss in ihrem Obstgarten anbaut.
Liss findet in Sally’s rebellischer Art sich selbst wieder, als junges Mädchen musste sie gegen ihren Vater und die von ihm auferlegten Zwänge ankommen. Davon getrieben flüchtet sie in eine Ehe und bekommt neue Fesseln angelegt, die sie bis zur Unerträglichkeit erdrücken.
Ewald Arenz versteht es auf einzigartige Weise, den Leser in die Geschichte zu holen. Schon auf den ersten Seiten spürt man die Wärme der Sonne des Spätsommertages, riecht die Erde, sieht das Flirren und die Insekten in der Luft. Sprachlich zaubert er Bilder, die die Einfachheit des Lebens auf dem Bauernhof mit viel Arbeit, aber auch dem großen Vergnügen und der Zufriedenheit nach körperlicher Arbeit lebendig werden lassen. Damit schafft er große Nähe zu den Figuren und zur Geschichte. Mit viel Warmherzigkeit und Liebe hat Ewald Arenz die beiden versehrten Frauen gestaltet, er vergibt ihnen ihre Schwächen, lässt sie aufstehen und kämpfen, auch wenn sich beide dabei stützend aneinander lehnen müssen.
„Alte Sorten“ ist ein leise erzähltes kraftvolles und warmherziges Buch über einen Neuanfang, das ich sehr gerne gelesen habe.
Ewald Arenz „Alte Sorten“
Roman, gebunden, 256 Seiten
Erschienen im Dumont Buchverlag
am 3. April 2019
ISBN 978-3-83218381
Preis 20€
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