28. Oktober 2018

Starke Persönlichkeit



Mitten in den Wirren des Zweiten Weltkrieges spielt das Buch „Hemingway & Ich“, bei dem es auch um die Wirren der Liebe zwischen der Kriegsreporterin Martha Gellhorn und dem berühmten Schriftsteller Ernest Hemingway geht. Die Autorin Paula McLain hat gute Recherchearbeit geleistet und die Liebe und Ehe der beiden von 1936 bis 1945 als Basis für ihren Roman herangezogen.

In einer Bar in Key West, während einer Familienreise mit Mutter und Bruder, trifft die 28jährige Martha auf den 10 Jahre älteren Ernest Hemingway, den sie als junge Autorin bewundert und vergöttert. Sie hat ihre ersten Gehversuche als Schriftstellerin gerade gemeistert, und dort, wo man im Süden Floridas der damaligen Zeit als Leser das Leben riechen und fast schmecken kann, erweist sich Ernest als vollendeter Reiseführer und Charmeur.
Für Martha tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf, sie, die Suchende und Reisende, folgt Ernest in Francos Spanien, beauftragt von der New Yorker Zeitschrift „Collier‘s“. Sie schlägt sich bei der Überfährt und in Spanien allein bis nach Barcelona durch, lebt in Madrid in Sicht- und Hörweite der Front im berühmten Hotel „Florida“ und begründet neben ihrer Karriere als Kriegsreporterin auch ihre stürmische Liebesbeziehung zu Ernest. Inmitten von Kämpfen der Republikaner gegen Francos Truppen, abendlichen Gelagen mit anderen Journalisten, Schriftstellern und Bohemians und zunächst geheimen nächtlichen Treffen mit Ernest in ihrem Zimmer lebt Martha ihren gefährlichen und für die damalige Zeit äußerst untypischen Traum.
Hemingway trennt sich nach der Rückkehr von seiner zweiten Frau Pauline, er lebt mit Martha auf Kuba und wird die Sonne in Marthas Universum, um den ihr schriftstellerisches Engagement kreist. Ernst Hemingway ist mit der Veröffentlichung seines Werkes „Wem die Stunde schlägt“ einer der bekanntesten und wichtigsten Schriftsteller seiner Zeit, und auch wenn Martha mit eigenen Werken kleine Erfolge feiern kann, steht sie doch als Autorin hintenan. Es treibt sie um, und ihr unbedingter Wille zur Unabhängigkeit jagt sie aus dieser Konkurrenzsituation heraus, um erneut als Kriegsreporterin zuerst in Finnland, dann in China und später in Großbritannien und Frankreich zu recherchieren und zu berichten. 
Für Ernest wird sie damit viel zu unabhängig, er, der es gewohnt ist, der Mittelpunkt des Geschehens zu sein, beruft sich auf das damalige US-Matriarchat, auf seinen Weltruf als Schriftsteller und verbaut Martha die Chance auf weitere Berichterstattung bei der Landung der Amerikaner in der Normandie.

Paula McLain hat den Roman auf der Basis wahrer Begebenheiten geschrieben. Sehr beeindruckend und bewegend liest sich das Schicksal von Martha Gellhorn während des Zweiten Weltkrieges, in dieser Zeit, in der sie ihre Berufung als Kriegsberichterstatterin mit dem Fokus auf ganz persönlichen Schicksalen und dem Leiden der Armen während eines Krieges findet. Sie ist als ambivalenter Charakter gezeichnet, getrieben von ihrer Unabhängigkeit, ihrer Reise- und Abenteuerlust, von ihrem Ehrgeiz und gleichzeitig von ihrem Mitgefühl und ihrem Gespür für soziale Missstände, immer bereit, dafür selbst zurück zustecken. Man neigt beim Lesen zunächst ein wenig dazu, sie in die Ecke der unzufriedenen und verzogenen Göre zu stecken, die von der Sucht nach Erfolg zerfressen ist, aber das ist sie nicht. Im Laufe der Geschichte entpuppt sie sich als ernst zu nehmende Reporterin, die ihren Weg inmitten vieler Querelen sucht, zu denen nicht zuletzt gehört, dass sie eine Frau und eben kein Mann ist. Sie verleiht den Geknechteten und Unschuldigen eine Stimme, ohne selbst als Heldin erscheinen zu wollen.
Hemingway hingegen hat für mich in diesem Buch gegen Ende des Krieges eher den Eindruck eines großen Jungen hinterlassen, der gern Krieg spielen möchte und um jeden Preis dabei sein will. Er ist der große Retter und Held, kein Mann der leisen und trauernden Töne.


Der Roman bewegt beim Lesen, ist spannend geschrieben, und ich habe es sehr genossen, von dieser starken Frau, die sich unter die Fittiche ihrer Faszination für den großen Hemingway begibt, zu lesen und ihren Weg zurück in die Unabhängigkeit zu verfolgen. Martha Gellhorn ist eine beeindruckende Persönlichkeit, und diesem Ruf wird die Autorin auf dem kurzen Lebensabschnitt, den das Buch umfasst, mehr als gerecht. 





Paula McLain „Hemingway & ich“
Roman gebunden, 448 Seiten
Erschienen im Aufbau-Verlag
Oktober 2018
ISBN 978-3-351037451
24,00 €

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