Unterhaltsam, etwas schrullig und betulich, also „very British“ präsentiert sich der Roman „Eine von uns“ der britischen Autorin Harriet Cummings. Das Buch zeigt treff- und stilsicher die Zerbrechlichkeit einer Gemeinschaft, und dies mit der Dynamik der Furcht und Unsicherheit vor Unbekanntem.
Die Geschichte nimmt Bezug auf reale Ereignisse im Sommer 1984, als in Dörfern in den Chiltern Hills (GB) ein Einbrecher namens Fox umging, der zwar nichts gestohlen, aber Unordnung in der Häusern verursacht hat.
Delores ist jung, hübscher als Madonna und auf der Suche nach harmloser Ablenkung von ihrer frustrierenden Ehe in einem kleinen englischen Dorf in den 1980er Jahren. Sie verliert ihre neue Freundin Anna, eine unscheinbare junge Frau, die einfach so verschwindet. Die Dorfbewohner vermuten, dass der geheimnisvolle Einbrecher Fox verantwortlich ist, der nichts stiehlt sondern die Ordnung in Häusern, insbesondere in den Schlafzimmern ihrer Bewohner, ein wenig durcheinander bringt. Die Angst greift um sich, Vermutungen zur Identität von Fox führen zu gegenseitigen Anschuldigungen und schließlich zur Bewaffnung…
Die Autorin Harriet Cummings zeichnet in ihrem Debütroman ein treffendes und abgründiges Bild einer englischen Dorfgemeinschaft abseits der Hauptstraße. Einiger der Bewohner führen über lange Zeit ein Schattendasein, man würde ihr Verschwinden wahrscheinlich nicht einmal bemerken. Neulinge und Zugezogene finden nur schwer oder gar nicht ihren Platz, es gibt keine Willkommenskultur, sie sind Fremde und werden so behandelt.
Als sich die Unsicherheit und Hysterie unter den Bewohnern breit macht, bröckelt auch der einstmals gute, auf genaueren Blick aber sehr fragile Zusammenhalt unter den Menschen haltlos. Die augenscheinliche Idylle fällt und raffiniert spielt die Autorin mit gegenseitigem Misstrauen und der zunehmenden Aggressivität.
Unterstützt wird die Spannung durch die gut angelegte Charaktere. Neben Deloris, die zunehmend frustriert erscheint, gibt es ihre neue Freundin Anna, die jahrelang ein Schattendasein in der Krankheit ihrer Mutter führte und auch nach deren Tod kaum wahrgenommen wird, Brian der Dorfpolizist ist offen und sympathisch dargestellt, er kümmert sich um seinen kranken Bruder, oder der neue Vikar Jim, der mit seiner dunklen Vergangenheit zu kämpfen hat und wie Delores ein Fremder und Neuling im Dorf ist.
Im Klappentext wird Hochspannug á la Hitchcock versprochen. Das sollte man von diesem Buch nicht erwarten. Wenn auch spannend erzählt dreht sich die Geschichte mehr um schrulliges und abgründiges Verhalten, um soziale Bindungen und um den Platz des Einzelnen in einer festgefahrenen Gemeinschaft. Es ist ein tiefgreifendes und für mich hochinteressantes Portrait einer abgeschotteten Dorfgemeinschaft in der Krise, das die Autorin zeichnet, sie hat den Finger auf der Wunde und betrachtet das Ganze dennoch mit angenehmen Witz, ohne dabei zynisch zu werden.
Harriet Cummings "Eine von uns"
Roman gebunden, 368 Seiten
Deuticke Verlag
Juli 2017
ISBN 978-3552063358
20,00 €
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